Prolog

Gerald Ast 13.04.1941-10.11.2023

Ich habe fast 5 Jahrzehnte lang in Gremien, mit eigener Forschung und durch Neuerungen in der Gerüstbaupraxis daran mitgewirkt, den Systemgerüstbau mit dem zwecks rechnerischer Vorhersage der Standsicherheit notwendigen Wissen und Können zu beflügeln.

Was daraus geworden ist, beobachte ich heute so:

  • Entwickler eines verwendungsfähigen Gerüstbausystems kennen meist erst Jahre nach Produktionsbeginn die wirklichen Leistungsdaten ihrer Produkte zwecks Marketing und erst recht im Baustellenbetrieb.
  • Planer eines verwendungsfertigen Trag-/ Schalungsgerüsts wissen selber erst nach der Prüfung ihres Standsicherheitsnachweises, ob es wirklich brauchbar, d.h. auskömmlich standsicher ist.
  • Bauleiter müssen oft mehrere Wochen auf den prüffähigen Standsicherheitsnachweis einer Einrüstung warten.
  • Ein reibungsarmer Bauablauf ist damit dennoch nicht gesichert, weil prüffähig noch lange nicht geprüft ist.
  • Die Liste an Misshelligkeiten ließe sich beliebig fortsetzen!

Dem Vogel Systemgerüstbau sind seine Flügel wohl zu schwer geworden.
Die eigentliche Ursache dafür ist, dass man die flüchtigen technischen Baubetriebsvorrichtungen, die Trag-/ Schalungsgerüste nun einmal sind:

  • in gleichartige technische Bearbeitungsprozesse zwängt wie für dauerhafte bauliche Anlagen.
  • ihre Freigabe zur Verwendung pseudobauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren unterwirft.
  • oft fachfremden Autoritäten das letzte Wort zur Tauglichkeit überlässt: Es gibt m.W. ja noch keine Qualifizierung zum Prüfingenieur für Gerüstaufbauten.

Alle bemühen sich zwar redlich, aber immer weiter voneinander wegstrebend. Jeder in seiner Spur voranschauend, übersieht immer zielstrebiger, dass der Systemgerüstbau nicht in den Denkschemata der überkommenen Ingenieurwissenschaften begriffen werden kann. Selbst die Hersteller von Gerüstbausystemen haben noch nicht wirklich verinnerlicht, was artgerecht für die Verwendung ihrer Gerüstbausysteme wäre. Ihr Fokus liegt stattdessen auf der fintenreichen Beschaffung von formaltechnischen Verwendungsfähigkeits-(Zulassungen) und Brauchbarkeitsnachweisen (Typenprüfungen) mit einem Output an nominellen Leistungsdaten, die allenfalls im Marketing Figur machen. Dafür werden Unsummen ausgegeben, sehr viel weniger jedoch für artgerechte Tools und Trainings zwecks rationalisierungswirksamer Verwendung von Gerüstbausystemen im Baustellenbetrieb. Wo alle Wertschöpfung im Trag-/Schalungsgerüstbau für alle Betroffenen und Beteiligten ihren Quell hat, regiert äußerste Sparsamkeit!

Wie befreit man also den Vogel Systemgerüstbau von seiner Bodenschwere? Das ist das Generalthema meiner weiteren Beiträge!

Resümee AST Beitrag 1:

Mit den Flügeln, die wir ihm gaben, ist der Systemgerüstbau allenfalls ein Flattervogel geworden. Erst wenn es uns gelänge, ihn tatsächlich zum Fliegen zu befähigen, könnten Gerüstbausysteme ihr originäres Leistungsversprechen, nämlich im Baustellenbetrieb rationalisierungswirksam Verwendung zu finden, entfalten! Bis dahin bleibt der Systemgerüstbau wohl eher eine Verschwendungsveranstaltung. Das merkt nur keiner so richtig, weil alle auf dem Wege zur artgerechten Verwendung der Gerüstbausysteme, an derselben Stelle gleichermaßen gedanklich festsitzen. Anstatt das Übel an der Wurzel anzugreifen, lässt man es sich selber am Schopfe packen, indem man sich immer mehr und immer unreflektierter in einen Wettstreit um die Perfektionierung von Gelerntem, Geübtem und Gewohntem verstricken lässt, der vom Mainstream der Softwarebranche mit immer neuen Heilsversprechen angefüttert wird.

Schlussakkord

Wo kämen wir hin,
wenn alle sagten, wo kämen wir hin,
und keiner ginge, um zu sehen,
wohin wir kämen, wenn wir gingen.

Kurt Marty
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